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DR KLAUS MUELLER

Publications

Aber aus meinem Herzen sprach eine Stimme so laut. HOMOSEXUELLE AUTOBIOGRAPHIEN UND MEDIZINISCHE PATHOGRAPHIEN IM 19. JH

Ph.D. Publication, Berlin 1991 (399 Seiten)

Der Aufbau einer neuen Sprache über (Homo)Sexualität Ende des 19.Jahrhunderts, die seit der Jahrhundertwende via trivial- und massenliterarischen Popularisierungen zur Alltagssprache generiert und als Ausdruck von ‘Erfahrung’ gehandelt wird, steht im Zentrum des Erkenntnisinteresses. Die Untersuchung ist auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts konzentriert: Der Diskurs über intime Männerbeziehungen wird hier erstmals als wissenschaftlicher Gegenstand etabliert, mit besonderer Konzentration auf die Aspekte Sexualität und Identität des ‘Homosexuellen’.

Wichtigster Referenzpunkt der neuen objektiven Sprache über Sexualität zwischen Männern stellen die Autobiographie, bzw. Bekenntnis und Tagebuch dar. Die autobiographischen Dokumente der mannmännlichen Liebhaber initiieren und prägen die psychiatrische und emanzipatorische Theoriebildung.

Die Umsetzung ‘medizinischer’ und ’emanzipatorischer’ Raster in ‘Lebenspraxis’ und umgekehrt: der Transfer von Lebensstilen in Textformen bezeichnet die zentrale Frage der Arbeit. In der Wechselwirkung der medizinischen und autobiographischen Rede profiliert sich die sexuelle Identität des ‘Homosexuellen’, die gleichermaßen repressiven wie emanzipatorischen Interessen angepaßt werden kann. Dem Diskurs über ‘Homosexualität’ fällt von Beginn an eine kompensatorische Funktion zu, in der zentrale Problembestände des 19.Jahrhunderts stellvertretend durchgespielt werden.

Die Untersuchung orientiert sich an der Foucaultschen Trilogie zur ‘Geschichte der Sexualität’. Die Studie präsentiert Material, das bisher – kaum zugänglich in Privatsammlungen – in der Wissenschafts- und Sozialgeschichte der ‘Sexualität’ ausgeblendet blieb.

REVIEWS
»Klaus Müller liefert uns das, was Foucault ursprünglich als sechsten Band von »Sexualität und Wahrheit« geplant, dann aber aufgegeben hatte.« Rüdiger Lautmann

»Klaus Müller schreibt die Genealogie einer modernen, für den Kosmos des Begehrens epochemachenden Figur: die Geburt des Homosexuellen aus dem Geist der Autobiographie. Der Homosexuelle wird zum Exempel dafür, wie das Subjekt sich selbst konstituiert. Müllers Untersuchungen berufen sich auf Foucaults Geschichte der Sexualität. Ungleich differenzierter und präziser als dieser große Entwurf verknüpfen sie Sozialgeschichte und Soziologie, Sprach- und Literaturgeschichte zu einem empirisch solide fundierten, methodisch reflektierten, textanalytisch vertieften, beobachtungsscharfen und sprachlich luziden, weit ausgreifenden und stringenten Argumentationsgang, der dem Buch den Rang einer Musterstudie zum Verhältnis von Sprache und Sexualität, medizinischer Wissenschaft und Literatur weit über seinen exemplarischen Gegenstand hinaus sichern dürfte.« Heinrich Detering, GERMANISTIK

BIBLIOGRAPHICAL REFERENCE BOOK
Klaus Müller: Aber in meinem Herzen sprach eine Stimme so laut. Homosexuelle Autobiographien und medizinische Pathographien im neunzehnten Jahrhundert. Berlin, Rosa Winkel 1991.
ISBN 3-921495-20-2; 399 S. [But out of my heart a voice talked so loudly. Homosexual autobiographies and medical pathographies in the 19th century.]